Bild- Technik und Philosophie

Bild- Technik und Philosophie

Weiß, woher wir kommen und Schwarz, wohin wir nicht gehen können.

Ich entwickelte eine spezielle schwarzweißfilmbasierte Fotografie-Technik. Sie liegt analog u. A. meiner Projektreihe X CAPITALS sowie digital weiterentwickelt meinem Werkzyklus MANNIGFALTIGKEIT zu Grunde.

Ein sichtbares, benennbares Abbild einer Oberfläche von Realität steht darin nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es mir um den Versuch den grundlegenden Prozess des Hervorbringens von Realität bildlich einzufangen.

Meine Fotografien sehe ich als hauchdünnen Gewebeschnitt durch die Texturen von Materie, Raum, Zeit und Leere.
1. Aspekt: Fotografie-Technik



BILDTECHNIK Analog-Prozess
Basis ist ein Schwarz-Weiß-Bild was ich mit einer Nikon FA und einemeinem 24mm Objektiv, mit einem Rot-Orange-Filter, auf einen T-Max 3200 Film mit +2 fachem Belichtungsfaktor aufgenommen sowie um 2° wärmer und ca. 2 Blenden länger entwickelt habe. Entstanden ist ein sehr sattes Kleinbild-Negativ, mit einer ausgeprägt großen, plastisch anmutenden Körnigkeit und relativ weichem Bildkontrast wie ich es z. B. für die Serien: X CAPITALS und DAS BALLETT DER SPIEGELNEURONEN verwendete. Prints: mit bewegtem Weißen Nylon-Strumpffilter, im Format 18 x 27 cm, auf ORWO BARYT BRILLANT BBW

BILDTECHNIK Digital-Prozess
1. Das Schwarz-Weiß-Negativ scanne ich jetzt direkt vom Film mit dem Film Scanner: Nikon Super Coolscan 9000 ED; mit der Auflösung von 4000 dpi; bei 16 Bit im rgb-Farbprofil, und speichere es als TIF-Datei (ca. 53 MB).

2. Ich wähle den Bildausschnitt der die Körnung aufweist die meine Bildidee und Struktur der Körnung am besten zusammenbringt.

3. Dem freigestellten Bildausschnitt weise ich spezielle von mir erstellte Farbprofile in Photosthop / Gradationen / rgb-Kanal zu.

4. Wie ein Kristall lasse ich jetzt die körnige Struktur im Negativ beim scalieren mit der Scalierungs-App: ONE 1 Resize 10 wachsen. Im Detail mache ich das je nach größe der Bildausschnitte in 13 bis 29 Scalierungs-Schritten, wobei die Formate unrhythmisch zirkulierend, zwichen graden und ungraden dpi-Größen sowie zehntel und einhundertstel Zentimeter Bildhöhe ansteigen (z. B. in Schritten von: Höhe 3,43 cm und Bildauflösung 2929 dpi zu Höhe 3,6 cm und Bildauflösung 2901 dpi ...), bis zum vollen Format (2-4 GB). - Wie ich es z. B. für die Serien: MANNIGFALTIGKEIT und EGO-SHOOTER CROSS THE WORLD verwendete. Prints: Archival Pigment Print auf Hahnemühle FINE ART BARYTA



2. ASPEKT: BILDKORN
Die Körnung verbindet inhaltliche mit ästhetischer Symbolik, um auf einer sub-elementaren Ebene unsere Sichtweise der alltäglichen Realität zu hinterfragen.

Ich betrachte die Realität als eine pulsierende Erscheinung. Vereinfacht gesagt, pulsiert unsere Realität in sehr kurzen Zyklen. Sie entsteht aus der "Leere", existiert bis zu ihrer Vollendung und verschwindet wieder in der "Leere". Dann folgt die nächste Realitätssequenz, und so weiter. Dies geschieht jedoch innerhalb eines komplex verwobenen Prozesses, in dem alle Zustände gleichzeitig wirken und den Anschein einer kontinuierlichen Präsenz innerhalb der uns bekannten Naturgesetze erwecken.

Ich versuche in meinen Bildern den Moment zu fotografieren, in dem der vorangegangene Impuls der Realität verklungen ist und ihre entstehende Form noch nicht vollständig ausformuliert ist. Die Oberflächen sind noch nicht geschlossen, der Fokus ist unvollständig, die Farben entwickeln sich noch, und es scheint, als wäre der Blick noch offen genug, um hinter die Maske dessen zu schauen, was wir Realität nennen. In der Superstringtheorie habe ich sowohl Inspiration als auch ein wissenschaftliches Spiegelbild meiner eigenen Vorstellung gefunden, obwohl mein Denkprozess darüber hinaus völlig undiszipliniert war.

Den Physiker Calabi und Yau zufolge sind die von ihnen beschriebenen 11-dimensionale "Raum-Mannigfaltigkeiten" vierdimensional im symmetrisch in einem Abstand von einer Plancklänge "Raum" verankert. Ihrer These zufolge befinden sich in jeder 11-dimensionalen "Raum-Mannigfaltigkeit" die vier Dimensionen (drei Raumdimensionen plus eine Zeitdimension), aus denen unsere dreidimensionale Welt besteht. Ich stelle diese 11-dimensionalen "Raum-Mannigfaltigkeiten" symbolisch mit der Körnigkeit im Bild in meinen S/W-Fotografien dar.



2. ASPEKT: BILDKORN
Die Körnung verbindet inhaltliche mit ästhetischer Symbolik, um auf einer sub-elementaren Ebene unsere Sichtweise der alltäglichen Realität zu hinterfragen.

Ich betrachte die Realität als eine pulsierende Erscheinung. Vereinfacht gesagt, pulsiert unsere Realität in sehr kurzen Zyklen. Sie entsteht aus der "Leere", existiert bis zu ihrer Vollendung und verschwindet wieder in der "Leere". Dann folgt die nächste Realitätssequenz, und so weiter. Dies geschieht jedoch innerhalb eines komplex verwobenen Prozesses, in dem alle Zustände gleichzeitig wirken und den Anschein einer kontinuierlichen Präsenz innerhalb der uns bekannten Naturgesetze erwecken.

Ich versuche in meinen Bildern den Moment zu fotografieren, in dem der vorangegangene Impuls der Realität verklungen ist und ihre entstehende Form noch nicht vollständig ausformuliert ist. Die Oberflächen sind noch nicht geschlossen, der Fokus ist unvollständig, die Farben entwickeln sich noch, und es scheint, als wäre der Blick noch offen genug, um hinter die Maske dessen zu schauen, was wir Realität nennen. In der Superstringtheorie habe ich sowohl Inspiration als auch ein wissenschaftliches Spiegelbild meiner eigenen Vorstellung gefunden, obwohl mein Denkprozess darüber hinaus völlig undiszipliniert war.

Den Physiker Calabi und Yau zufolge sind die von ihnen beschriebenen 11-dimensionale "Raum-Mannigfaltigkeiten" vierdimensional im symmetrisch in einem Abstand von einer Plancklänge "Raum" verankert. Ihrer These zufolge befinden sich in jeder 11-dimensionalen "Raum-Mannigfaltigkeit" die vier Dimensionen (drei Raumdimensionen plus eine Zeitdimension), aus denen unsere dreidimensionale Welt besteht. Ich stelle diese 11-dimensionalen "Raum-Mannigfaltigkeiten" symbolisch mit der Körnigkeit im Bild in meinen S/W-Fotografien dar.



Ähnlich wie die von Platon dargestellten Gefangenen in der Höhle halten auch die in der Bildschirmwelt dargestellten Wesen die niedrigdimensionale Darstellung für die gesamte Realität. Könnte man nur die Höhlen- und die Bildschirmmenschen danach fragen, würden beide behaupten, ihre niedrigdimensionale Realität sei die einzige Wahrheit. Da die Menschen sowohl im Fall der Bildschirmwelt als auch im Fall der Schatten an der Höhlenwand unbestreitbar die Schöpfer dieser Realitäten sind, kann dieses Bild für uns als nachvollziehbare Möglichkeit dienen, die von uns erlebte Realität zu visualisieren.

Sollte es den Bildschirmwesen gelingen, in die Richtung zurückzublicken, aus der sie gekommen sind, wie es Platon in seinem Höhlengleichnis vorschlägt, würde ihnen dasselbe passieren wie den Menschen in Platons Höhle, und sie würden ein scheinbar seltsam schimmerndes Weiß sehen.

Allerdings können die Bildschirmwesen weder sich selbst erkennen noch aus ihrer Bildschirmwelt heraustreten, wie es die Menschen in Platons Höhle konnten. Sie würden auf ein Labyrinth von Transformationen stoßen, das Licht in elektrische Signale und sogar elektromagnetische Wellen umwandelt.



Eine physikalische Verbindung zwischen der Welt des Schöpfers, unserer Welt und der Welt der Bildschirmgeschöpfe gibt es im strengen Sinne nicht. Aus der Perspektive der Bildschirmgeschöpfe erscheinen die Informationen aus ihrer Bildschirmrealität wie aus der Luft gegriffen oder aus dem Nichts, kommen aber in Wirklichkeit aus einer höheren Dimension. Hier führt uns unser mentales Bild, aus der Perspektive unserer eigenen Erfahrung betrachtet, zu der Vorstellung, wie eine Verbindung zwischen einem niederdimensionalen und einem höherdimensionalen Raum aussehen könnte.

In die Richtung der Quelle ihrer Erscheinung würden die Bildschirmmenschen keine tatsächliche Realität entdecken können. Vielmehr würden sie eine leuchtende Maske vorfinden, die sich aus drei Lichtfarben zusammensetzt, eine materielle universelle Matrix, die differenzierte Zustände repräsentiert, die wiederum als stofflich interpretiert werden, weil sie im "Skript" dieser Wesen und in der Konstruktion der Matrix vorgesehen ist. Selbst das schimmernde weiße Licht würde sich bei näherer Betrachtung als eine mehrfarbige Illusion erweisen.

Der etymologische Ursprung des Wortes "Schirm" führt uns überraschenderweise zu einem Kamin. Im 14. Jahrhundert wurde ein feines Netz als "Feuerschirm" angebracht, um vor Funken aus dem Kamin zu schützen. Generationen von "Zuschauern" beobachteten das Feuer, tauschten Geschichten aus und blickten erwartungsvoll durch den Schirm auf das flackernde Feuer. Die sich bewegenden Schatten und die tanzenden Flammen belebten dabei ihre Fantasie.



PLATONS SCHATTENSPIEL DER SCHEINBAREN WIRKLICHKEIT, DAS AUF DER HÖHLENWAND SO ÜBERZEUGEND ERSCHIEN, WURDE AUCH DURCH DAS LICHT PROJIZIERT

Der "Feuerschirm" entwickelte sich in einer einzigartigen Evolutionsgeschichte vom Schattengitter vor dem Kamin zur Schattenmaske einer Kathodenstrahlröhre eines Fernsehers und danach zur dreifarbigen LED-Matrix, die heute in jedem Fernseher, Smartphone, Laptop und fast überall zu finden ist. Viele nehmen diese virtuelle Realität als die eigentliche Realität unserer Gegenwart wahr.

Der große Unterschied zwischen meinem Bild und Platons Höhlengleichnis ist die offene Perspektive des Betrachters. Platon stellte sich eine feste Höhlenwand vor, auf der die wahrgenommene Realität als Schattenspiel abgebildet war.

Ich erweitere Platons Konzept auf die Entwicklung des Raums in einer höheren Dimension, die sich unserer Einsicht entzieht und von uns als tiefstes Schwarz oder Dunkelheit (dunkle Materie, dunkle Energie) wahrgenommen wird. Selbst die auf dem Bildschirm festgehaltene Personen würden, wenn sie ihren Blick erheben, um in die Richtung ihre Zuschauer zu blicken, in eine schwarze Leere schauen. Sie würden zuerst ihren eigenen Schatten auf der Bildschirmwand sehen und dahinter in die Richtung blicken, aus der sie von ihren Schöpfern gesehen werden.

Wenn wir uns dieses geistige Bild noch einmal genau vor Augen halten, könnte unsere dreidimensionale Realität sogar zwischen zwei höherdimensionalen Realitäten gefangen sein. Von der einen Seite würden sie erzeugt und von der anderen Seite beobachtet. Beide Richtungen entziehen sich ihrer Wahrnehmung.

Schwarz und Weiß - weiß woher wir kommen und schwarz wohin wir nicht gehen können.



Der von uns so akribisch gezählten Zeit kommt in meinem Bild eine exklusive Bedeutung zu. Zeit ist meines Erachtens so eine Art synchro- nisierender Schmierstoff auf dem die Realität entgleitet. Gäbe es den Schmierstoff Zeit nicht, käme es zu Realitäts-Verkräuselungen mit unvor- hersehbaren Folgen in dem uns bekannten Universum. Vielleicht sind "Schwarze Löcher" solche Raum-Kräuselungen.

Es geht in meinen s/w-Photographien also vordringlich um die Körnung, ihre Symbolik die ich mit der Gestalt einer universellen Materialität, von der diversifizierte Zustände geschaffen werden, verbinde und nicht um das profane Bild was sich auf ihnen abzeichnet.

Das Bild berichtet lediglich davon, an welchen Ort mich in meiner physischen und seelischen Präsenz die Photographie in unserer Realität führte.

Susan Sonntag schreibt in ihrem Essay über Photographie davon, dass Photographie eine untergehende Welt abbildet, dass es für diese Welt keine Rettung gibt. Und sie schreibt vom Tod des Augenblicks, der photographiert würde.

Aus meiner Sicht partizipiert Photographie hingegen an einem Realitätsprozess, der unseren Blick wie ein vorbeirasender Formel 1 Rennwagen, mit in die Zukunft reißt. Ich suche nach der Ahnung dessen, wie die kommende sich vollendende Realität aussehen könnte. Ich suche in meinen s/w-Photographien eine vorübergehende Vorahnung von Zukunft sichtbar zu machen.

Allein unsere Vorstellungen und Emotionen steuern diesen Prozess zum Guten oder weniger Guten, zum Leben oder Tod und zum Gelingen oder Scheitern. In meinen Betrachtungen stelle ich diesen Prozess in zwei Metaphern gegenüber. Es ist "Das romantische Spektakel des pyromanischen Feuerwerks des Scheiterns" was sich gegen "Die Bescheidenheit der Erfüllung" stellt.



IDENTITÄT UND ANONYMITÄT IM WECHSELSPIEL
Photographie wie ich sie verstehe bedarf der unbedingten Anwesenheit des Photographen. Sie führt mich durch die Welt, durch interkulturelle Räume, provoziert zwischenmenschliche Aktionen um "Die dritte Entsprechung" zu finden, von der ich glaube dass sie eng mit der natürlichen Weiblichkeit in Verbindung steht. Keine andere künstlerische Ausdrucksform verlangt nach der gleichzeitigen Anwesenheit des Ausübenden und des Sujets an einem Ort wie die Photographie. Das ist der Grund, weshalb ich Photographie als eine meiner Ausdrucksformen wählte.

Henry Landers 2013
Bild- Technik und Philosophie

Weiß, woher wir kommen und Schwarz, wohin wir nicht gehen können.

Ich entwickelte eine spezielle schwarzweißfilmbasierte Fotografie-Technik. Sie liegt analog u. A. meiner Projektreihe X CAPITALS sowie digital weiterentwickelt meinem Werkzyklus MANNIGFALTIGKEIT zu Grunde.

Ein sichtbares, benennbares Abbild einer Oberfläche von Realität steht darin nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es mir um den Versuch den grundlegenden Prozess des Hervorbringens von Realität bildlich einzufangen.

Meine Fotografien sehe ich als hauchdünnen Gewebeschnitt durch die Texturen von Materie, Raum, Zeit und Leere.

BILDTECHNIK Analog-Prozess
Basis ist ein Schwarz-Weiß-Bild was ich mit einer Nikon FA und einemeinem 24mm Objektiv, mit einem Rot-Orange-Filter, auf einen T-Max 3200 Film mit +2 fachem Belichtungsfaktor aufgenommen sowie um 2° wärmer und ca. 2 Blenden länger entwickelt habe. Entstanden ist ein sehr sattes Kleinbild-Negativ, mit einer ausgeprägt großen, plastisch anmutenden Körnigkeit und relativ weichem Bildkontrast wie ich es z. B. für die Serien: X CAPITALS und DAS BALLETT DER SPIEGELNEURONEN verwendete. Prints: mit bewegtem weisen Nylon-Strumpffilter, im Format 18 x 27 cm, auf ORWO BARYT BRILLANT BBW


BILDTECHNIK Digital-Prozess
Basis ist ein Schwarz-Weiß-Bild was ich mit einer Nikon FA und einemeinem 24mm Objektiv, mit einem Rot-Orange-Filter, auf einen T-Max 3200 Film mit +2 fachem Belichtungsfaktor aufgenommen sowie um 2° wärmer und ca. 2 Blenden länger entwickelt habe. Entstanden ist ein sehr sattes Kleinbild-Negativ wie ich es z. B. für die Serien: X CAPITALS und DAS BALLETT DER SPIEGELNEURONEN verwendete. Prints: 18 x 27 auf ORWO BARYT BRILLANT BBW

BILDTECHNIK Digital-Prozess
1. Das Schwarz-Weiß-Negativ scanne ich jetzt direkt vom Film mit dem Film Scanner: Nikon Super Coolscan 9000 ED; mit der Auflösung von 4000 dpi; bei 16 Bit im rgb-Farbprofil, und speichere es als TIF-Datei (ca. 53 MB).

2. Ich wähle den Bildausschnitt der die Körnung aufweist die meine Bildidee und Struktur der Körnung am besten zusammenbringt.

3. Dem freigestellten Bildausschnitt weise ich spezielle von mir erstellte Farbprofile in Photosthop / Gradationen / rgb-Kanal zu.

4. Wie ein Kristall lasse ich jetzt die körnige Struktur im Negativ beim scalieren mit der Scalierungs-App: ONE 1 Resize 10 wachsen. Im Detail mache ich das je nach größe der Bildausschnitte in 13 bis 29 Scalierungs-Schritten, wobei die Formate unrhythmisch zirkulierend, zwichen graden und ungraden dpi-Größen sowie zehntel und einhundertstel Zentimeter Bildhöhe ansteigen (z. B. in Schritten von: Höhe 3,43 cm und Bildauflösung 2929 dpi zu Höhe 3,6 cm und Bildauflösung 2901 dpi ...), bis zum vollen Format (2-4 GB). - Wie ich es z. B. für die Serien: MANNIGFALTIGKEIT und EGO-SHOOTER CROSS THE WORLD verwendete. Prints: Archival Pigment Print auf Hahnemühle FINE ART BARYTA



1. ASPEKT: LEERE
Die Leere ist eine Illusion. Sie ist ein Labyrinth, sie versperrt den Blick, in die Welt dahinter, sie verursacht uns unheimliches Unbehagen. Reine Farbflächen in meinen Bildern symbolisieren die Leere des Raumes. Sie zeigt uns nichts, sondern versperrt uns den Blick auf das Dahinter. Von einer höheren Dimensionalität aus betrachtet, gibt es keine Leere. Die Materie, die relative Leere - der Raum zwischen der Oberfläche und die absolute Leere - entstehen aus derselben Substanz.
2. ASPEKT: BILDKORN
Die Körnung verbindet inhaltliche mit ästhetischer Symbolik, um auf einer sub-elementaren Ebene unsere Sichtweise der alltäglichen Realität zu hinterfragen.

Ich betrachte die Realität als eine pulsierende Erscheinung. Vereinfacht gesagt, pulsiert unsere Realität in sehr kurzen Zyklen. Sie entsteht aus der "Leere", existiert bis zu ihrer Vollendung und verschwindet wieder in der "Leere". Dann folgt die nächste Realitätssequenz, und so weiter. Dies geschieht jedoch innerhalb eines komplex verwobenen Prozesses, in dem alle Zustände gleichzeitig wirken und den Anschein einer kontinuierlichen Präsenz innerhalb der uns bekannten Naturgesetze erwecken.

Ich versuche in meinen Bildern den Moment zu fotografieren, in dem der vorangegangene Impuls der Realität verklungen ist und ihre entstehende Form noch nicht vollständig ausformuliert ist. Die Oberflächen sind noch nicht geschlossen, der Fokus ist unvollständig, die Farben entwickeln sich noch, und es scheint, als wäre der Blick noch offen genug, um hinter die Maske dessen zu schauen, was wir Realität nennen. In der Superstringtheorie habe ich sowohl Inspiration als auch ein wissenschaftliches Spiegelbild meiner eigenen Vorstellung gefunden, obwohl mein Denkprozess darüber hinaus völlig undiszipliniert war.

Den Physiker Calabi und Yau zufolge sind die von ihnen beschriebenen 11-dimensionale "Raum-Mannigfaltigkeiten" vierdimensional im symmetrisch in einem Abstand von einer Plancklänge "Raum" verankert. Ihrer These zufolge befinden sich in jeder 11-dimensionalen "Raum-Mannigfaltigkeit" die vier Dimensionen (drei Raumdimensionen plus eine Zeitdimension), aus denen unsere dreidimensionale Welt besteht. Ich stelle diese 11-dimensionalen "Raum-Mannigfaltigkeiten" symbolisch mit der Körnigkeit im Bild in meinen S/W-Fotografien dar.


3. ASPEKT: ALLEGORIE
Als ich über die pulsierende Natur der Realität nachdachte, erschien es mir plausibel, zu fragen, ob es im Universum eine Kommunikationsstruktur geben könnte. Bei der weiteren Betrachtung dieses Konzepts stieß ich auf die bereits erwähnten Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten, die meiner Meinung nach eine komplexe Realität aus höheren Dimensionen ausdrücken könnten.

Um meine Gedanken mit einem praktischen Beispiel zu veranschaulichen, ist es hilfreich den Bildschirm eines Fernsehers oder Smartphones mit Platons Höhlengleichnis zu vergleichen, wobei der Bildschirm unsere vertraute dreidimensionale Welt in eine zweidimensionale Darstellung transponiert, die eine dreidimensionale Welt simuliert und sich ihrerseits in einer dreidimensionalen Realität befindet.

Selbst bekannte mystisch aufgeladene Begriffe wie "Schöpfer", "Geschöpf", "Abbild des Schöpfers", "Licht der Schöpfung" usw. fungieren in dieser kleinen Betrachtung als erstaunlich plausible und völlig unmystische Begriffe, weil wir selbst den Bildschirm aus der Perspektive des Schöpfers betrachten. Auf diese Weise verwende ich diese mystischen Begriffe auch, um den Rückgriff auf religiöse Erklärungsmodelle zu erleichtern.

Als ich weiter darüber nachdachte, wurde mir klar, dass dieses zweidimensionale Bild des Bildschirms von uns aus dreidimensionalen Welt aus betrachtet wird. In der Bildschirmrealität ist es jedoch nicht möglich, aus der zweidimensionalen Welt in die höhere Dimension seines Schöpfers zu sehen. Und obwohl sie nach dem Bild dieses Schöpfers geschaffen wurden, sind sie in einem niedrigdimensionalen Raum mit der Illusion höherer Dimensionalität "gefangen".

Ähnlich wie die von Platon dargestellten Gefangenen in der Höhle halten auch die in der Bildschirmwelt dargestellten Wesen die niedrigdimensionale Darstellung für die gesamte Realität. Könnte man nur die Höhlen- und die Bildschirmmenschen danach fragen, würden beide behaupten, ihre niedrigdimensionale Realität sei die einzige Wahrheit. Da die Menschen sowohl im Fall der Bildschirmwelt als auch im Fall der Schatten an der Höhlenwand unbestreitbar die Schöpfer dieser Realitäten sind, kann dieses Bild für uns als nachvollziehbare Möglichkeit dienen, die von uns erlebte Realität zu visualisieren.

Sollte es den Bildschirmwesen gelingen, in die Richtung zurückzublicken, aus der sie gekommen sind, wie es Platon in seinem Höhlengleichnis vorschlägt, würde ihnen dasselbe passieren wie den Menschen in Platons Höhle, und sie würden ein scheinbar seltsam schimmerndes Weiß sehen.

Allerdings können die Bildschirmwesen weder sich selbst erkennen noch aus ihrer Bildschirmwelt heraustreten, wie es die Menschen in Platons Höhle konnten. Sie würden auf ein Labyrinth von Transformationen stoßen, das Licht in elektrische Signale und sogar elektromagnetische Wellen umwandelt.

Eine physikalische Verbindung zwischen der Welt des Schöpfers, unserer Welt und der Welt der Bildschirmgeschöpfe gibt es im strengen Sinne nicht. Aus der Perspektive der Bildschirmgeschöpfe erscheinen die Informationen aus ihrer Bildschirmrealität wie aus der Luft gegriffen oder aus dem Nichts, kommen aber in Wirklichkeit aus einer höheren Dimension. Hier führt uns unser mentales Bild, aus der Perspektive unserer eigenen Erfahrung betrachtet, zu der Vorstellung, wie eine Verbindung zwischen einem niederdimensionalen und einem höherdimensionalen Raum aussehen könnte.

In die Richtung der Quelle ihrer Erscheinung würden die Bildschirmmenschen keine tatsächliche Realität entdecken können. Vielmehr würden sie eine leuchtende Maske vorfinden, die sich aus drei Lichtfarben zusammensetzt, eine materielle universelle Matrix, die differenzierte Zustände repräsentiert, die wiederum als stofflich interpretiert werden, weil sie im "Skript" dieser Wesen und in der Konstruktion der Matrix vorgesehen ist. Selbst das schimmernde weiße Licht würde sich bei näherer Betrachtung als eine mehrfarbige Illusion erweisen.

Der etymologische Ursprung des Wortes "Schirm" führt uns überraschenderweise zu einem Kamin. Im 14. Jahrhundert wurde ein feines Netz als "Feuerschirm" angebracht, um vor Funken aus dem Kamin zu schützen. Generationen von "Zuschauern" beobachteten das Feuer, tauschten Geschichten aus und blickten erwartungsvoll durch den Schirm auf das flackernde Feuer. Die sich bewegenden Schatten und die tanzenden Flammen belebten dabei ihre Fantasie.

PLATONS SCHATTENSPIEL DER SCHEINBAREN WIRKLICHKEIT, DAS AUF DER HÖHLENWAND SO ÜBERZEUGEND ERSCHIEN, WURDE AUCH DURCH DAS LICHT PROJIZIERT

Der "Feuerschirm" entwickelte sich in einer einzigartigen Evolutionsgeschichte vom Schattengitter vor dem Kamin zur Schattenmaske einer Kathodenstrahlröhre eines Fernsehers und danach zur dreifarbigen LED-Matrix, die heute in jedem Fernseher, Smartphone, Laptop und fast überall zu finden ist. Viele nehmen diese virtuelle Realität als die eigentliche Realität unserer Gegenwart wahr.

Der große Unterschied zwischen meinem Bild und Platons Höhlengleichnis ist die offene Perspektive des Betrachters. Platon stellte sich eine feste Höhlenwand vor, auf der die wahrgenommene Realität als Schattenspiel abgebildet war.

Ich erweitere Platons Konzept auf die Entwicklung des Raums in einer höheren Dimension, die sich unserer Einsicht entzieht und von uns als tiefstes Schwarz oder Dunkelheit (dunkle Materie, dunkle Energie) wahrgenommen wird. Selbst die auf dem Bildschirm festgehaltene Personen würden, wenn sie ihren Blick erheben, um in die Richtung ihre Zuschauer zu blicken, in eine schwarze Leere schauen. Sie würden zuerst ihren eigenen Schatten auf der Bildschirmwand sehen und dahinter in die Richtung blicken, aus der sie von ihren Schöpfern gesehen werden.

Wenn wir uns dieses geistige Bild noch einmal genau vor Augen halten, könnte unsere dreidimensionale Realität sogar zwischen zwei höherdimensionalen Realitäten gefangen sein. Von der einen Seite würden sie erzeugt und von der anderen Seite beobachtet. Beide Richtungen entziehen sich ihrer Wahrnehmung.

Schwarz und Weiß - weiß woher wir kommen und schwarz wohin wir nicht gehen können.


Der von uns so akribisch gezählten Zeit kommt in meinem Bild eine exklusive Bedeutung zu. Zeit ist meines Erachtens so eine Art synchro- nisierender Schmierstoff auf dem die Realität entgleitet. Gäbe es den Schmierstoff Zeit nicht, käme es zu Realitäts-Verkräuselungen mit unvor- hersehbaren Folgen in dem uns bekannten Universum. Vielleicht sind "Schwarze Löcher" solche Raum-Kräuselungen.

Es geht in meinen s/w-Photographien also vordringlich um die Körnung, ihre Symbolik die ich mit der Gestalt einer universellen Materialität, von der diversifizierte Zustände geschaffen werden, verbinde und nicht um das profane Bild was sich auf ihnen abzeichnet.

Das Bild berichtet lediglich davon, an welchen Ort mich in meiner physischen und seelischen Präsenz die Photographie in unserer Realität führte.

Susan Sonntag schreibt in ihrem Essay über Photographie davon, dass Photographie eine untergehende Welt abbildet, dass es für diese Welt keine Rettung gibt. Und sie schreibt vom Tod des Augenblicks, der photographiert würde.

Aus meiner Sicht partizipiert Photographie hingegen an einem Realitätsprozess, der unseren Blick wie ein vorbeirasender Formel 1 Rennwagen, mit in die Zukunft reißt. Ich suche nach der Ahnung dessen, wie die kommende sich vollendende Realität aussehen könnte. Ich suche in meinen s/w-Photographien eine vorübergehende Vorahnung von Zukunft sichtbar zu machen.

Allein unsere Vorstellungen und Emotionen steuern diesen Prozess zum Guten oder weniger Guten, zum Leben oder Tod und zum Gelingen oder Scheitern. In meinen Betrachtungen stelle ich diesen Prozess in zwei Metaphern gegenüber. Es ist "Das romantische Spektakel des pyromanischen Feuerwerks des Scheiterns" was sich gegen "Die Bescheidenheit der Erfüllung" stellt.


IDENTITÄT UND ANONYMITÄT IM WECHSELSPIEL
Photographie wie ich sie verstehe bedarf der unbedingten Anwesenheit des Photographen. Sie führt mich durch die Welt, durch interkulturelle Räume, provoziert zwischenmenschliche Aktionen um "Die dritte Entsprechung" zu finden, von der ich glaube dass sie eng mit der natürlichen Weiblichkeit in Verbindung steht. Keine andere künstlerische Ausdrucksform verlangt nach der gleichzeitigen Anwesenheit des Ausübenden und des Sujets an einem Ort wie die Photographie. Das ist der Grund, weshalb ich Photographie als eine meiner Ausdrucksformen wählte.
Henry Landers 2013